24.4.2012 | Fachinformation
Das Therapieziel, definiert als Zielwert des „Langzeit-Blutzuckers“ HbA1c, legt die Leitlinie nicht mehr mit einer starren Zahl, zum Beispiel 6,5 Prozent oder 7 Prozent, fest. Stattdessen soll es für jeden einzelnen Patienten individuell bestimmt werden: Ein älterer Mensch mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen etwa und lange bestehendem Diabetes wird weniger streng einzustellen sein als ein junger Diabetespatient. Als erste Therapiemaßnahme nach der Diagnose eines Typ-2-Diabetes empfiehlt die Leitlinie erneut allein Lebensstiländerungen wie Ernährungsumstellung und Bewegung, verbunden mit intensiver Schulung. Eine sofortige Gabe von Tabletten sieht sie dagegen nicht vor. Erst wenn sich die „nicht-pharmakologische“ Therapie als unwirksam erweise, seien Tabletten indiziert. Hier stehe an erster Stelle nach wie vor möglichst Metformin, sagt Professor Schatz: „Was im nächsten Schritt gegeben werden soll, ist derzeit schwer zu entscheiden, da es für die Kombinationstherapien kaum „Outcome-Studien“, also Langzeituntersuchungen, gibt“. Denn nur diese könnten etwas darüber aussagen, unter welcher Arzneimittel-Kombination etwa weniger Herzinfarkte auftreten oder der Patient länger lebt. Die Leitlinie empfiehlt deshalb, die Wahl des zweiten Medikaments entsprechend den individuellen Merkmalen des Patienten zu treffen – etwa seinem Gewicht – und dies gemeinsam mit ihm festzulegen. Dies kann ein zweites Präparat in Tablettenform sein, aber auch die Injektion der neueren „GLP-1-Analoga“ oder Insulin. Wolle ein Patient keine Injektionen, sollte der Arzt davon möglichst absehen. „Freilich wird nach längerer Krankheitsdauer Insulin unumgänglich sein“, fügt Professor Schatz hinzu.
Betrachte man diesen Paradigmenwechsel bei den Leitlinien medizinhistorisch, so Schatz, entspreche dieser den unterschiedlichen Auffassungen, die schon vor 2500 Jahren zwischen den griechischen Medizinschulen bestanden: Im Gegensatz zu der Schule von Knidos stellte Hippokrates auf der Insel Kos das individuelle Krankheitsgeschehen in den Mittelpunkt und hob die Wichtigkeit der Einzelbeobachtung am Krankenbett und die Berücksichtigung von Umwelteinflüssen hervor. „Hier kann man durchaus Parallelen ziehen zu den heutigen Konzepten einer – wie leider oft – nur verkürzt verstandenen evidenzbasierten Medizin und einer individualisierten, personalisierten Medizin“, so Schatz. Denn die statistischen Durchschnittsergebnisse der prospektiven, randomisierten und plazebo-kontrollierten Studien mit ihren Ein- und Ausschlusskriterien träfen immer nur auf einen Teil der Patienten in der täglichen Praxis zu. Die Therapieentscheidung habe stets der Arzt gemeinsam mit dem Patienten individuell zu treffen – jeweils unter Berücksichtigung aller Begleitumstände und Wünsche.
Leitlinien finden Sie zusammengefasst bei der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.)
DGE - Aktuelles zur Leitlinie "Behandlung des Typ-2-Diabetes"
Am 19. April 2012 erschien online die neue, gemeinsame Leitlinie der Amerikanischen (ADA) und der Europäischen Diabetesgesellschaft (EASD) zur Behandlung des Typ-2-Diabetes. „Im Unterschied zur bisherigen Leitlinie der beiden Gesellschaften und auch zu vielen anderen Leitlinien von Fachgesellschaften macht diese deutlich weniger genaue Vorschriften und Empfehlungen zu den Therapiezielen und Medikamenten in Form von Algorhythmen. Vielmehr rückt die neue Leitlinie den individuellen Patienten in den Mittelpunkt“, kommentiert Professor Dr. med. Dr. h. c. Helmut Schatz, Bochum, Mediensprecher der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE).Das Therapieziel, definiert als Zielwert des „Langzeit-Blutzuckers“ HbA1c, legt die Leitlinie nicht mehr mit einer starren Zahl, zum Beispiel 6,5 Prozent oder 7 Prozent, fest. Stattdessen soll es für jeden einzelnen Patienten individuell bestimmt werden: Ein älterer Mensch mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen etwa und lange bestehendem Diabetes wird weniger streng einzustellen sein als ein junger Diabetespatient. Als erste Therapiemaßnahme nach der Diagnose eines Typ-2-Diabetes empfiehlt die Leitlinie erneut allein Lebensstiländerungen wie Ernährungsumstellung und Bewegung, verbunden mit intensiver Schulung. Eine sofortige Gabe von Tabletten sieht sie dagegen nicht vor. Erst wenn sich die „nicht-pharmakologische“ Therapie als unwirksam erweise, seien Tabletten indiziert. Hier stehe an erster Stelle nach wie vor möglichst Metformin, sagt Professor Schatz: „Was im nächsten Schritt gegeben werden soll, ist derzeit schwer zu entscheiden, da es für die Kombinationstherapien kaum „Outcome-Studien“, also Langzeituntersuchungen, gibt“. Denn nur diese könnten etwas darüber aussagen, unter welcher Arzneimittel-Kombination etwa weniger Herzinfarkte auftreten oder der Patient länger lebt. Die Leitlinie empfiehlt deshalb, die Wahl des zweiten Medikaments entsprechend den individuellen Merkmalen des Patienten zu treffen – etwa seinem Gewicht – und dies gemeinsam mit ihm festzulegen. Dies kann ein zweites Präparat in Tablettenform sein, aber auch die Injektion der neueren „GLP-1-Analoga“ oder Insulin. Wolle ein Patient keine Injektionen, sollte der Arzt davon möglichst absehen. „Freilich wird nach längerer Krankheitsdauer Insulin unumgänglich sein“, fügt Professor Schatz hinzu.
Betrachte man diesen Paradigmenwechsel bei den Leitlinien medizinhistorisch, so Schatz, entspreche dieser den unterschiedlichen Auffassungen, die schon vor 2500 Jahren zwischen den griechischen Medizinschulen bestanden: Im Gegensatz zu der Schule von Knidos stellte Hippokrates auf der Insel Kos das individuelle Krankheitsgeschehen in den Mittelpunkt und hob die Wichtigkeit der Einzelbeobachtung am Krankenbett und die Berücksichtigung von Umwelteinflüssen hervor. „Hier kann man durchaus Parallelen ziehen zu den heutigen Konzepten einer – wie leider oft – nur verkürzt verstandenen evidenzbasierten Medizin und einer individualisierten, personalisierten Medizin“, so Schatz. Denn die statistischen Durchschnittsergebnisse der prospektiven, randomisierten und plazebo-kontrollierten Studien mit ihren Ein- und Ausschlusskriterien träfen immer nur auf einen Teil der Patienten in der täglichen Praxis zu. Die Therapieentscheidung habe stets der Arzt gemeinsam mit dem Patienten individuell zu treffen – jeweils unter Berücksichtigung aller Begleitumstände und Wünsche.
Leitlinien finden Sie zusammengefasst bei der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.)