5.8.2021 | aktuelle Meldung

Fachkräftemangel bei MFA hat Auswirkungen auf Versorgung der Patient*innen

Zi-Studie zur Personalsituation in Arztpraxen
Verband medizinischer Fachberufe e.V. sieht Handlungsbedarf bei Tarifverbindlichkeit


Qualifizierte Mitarbeiter*innen für die 102.000 Arzt- und Psychotherapiepraxen zu finden und zu binden ist für die Praxisinhaber*innen in Deutschland eine immer größere Herausforderung. Das hat eine Sonderbefragung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) zur „Personalsituation in Praxen der vertragsärztlichen und -psychotherapeutischen Versorgung“ für die Jahre 2019/2020 bestätigt.

Mehrheitlich stuften die befragten Praxen die Verfügbarkeit von kompetentem Praxispersonal auf dem Arbeitsmarkt als äußerst schlecht ein. Auch für 2021/2022 erwarten über zwei Drittel der Vertragsarztpraxen substanzielle Probleme, geeignetes Personal auf dem Arbeitsmarkt zu finden.

Als Hauptgründe für die Personalsuche wurden angegeben (Mehrfachnennung): Abwanderung des bestehenden Personals (46 Prozent), Ausgleich von Mutterschutz- und Elternzeitphasen (28 Prozent), Kündigung ungeeigneten Personals seitens der Praxen (22 Prozent) sowie die Abwanderung selbst ausgebildeten Personals (16 Prozent).

Befragt nach den Hauptschwierigkeiten bei der Suche nach Praxispersonal waren die Antworten so verteilt (Mehrfachnennung): Zu geringe Qualifikation der Bewerber*innen (52 Prozent), keine Bewerbung auf die Stellenanzeige (46 Prozent), Gehaltsvorstellungen (23 Prozent) bzw. Arbeitszeitvorstellungen (22 Prozent) der Bewerber*innen ließen sich nicht realisieren.

Rund 61 Prozent bilden aus
Die niedergelassene Ärzteschaft steuert dem Fachkräftemangel unter anderem mit der Ausbildung von MFA entgegen: Rund 61 Prozent der vertragsärztlichen Praxen gaben an, aktuell auszubilden bzw. früher ausgebildet zu haben oder das zu planen. Demzufolge wurde als Hauptgrund für die Ausbildung angegeben, Fachkräfte zu qualifizieren, die langfristig in der Praxis eingesetzt werden sollen (79 Prozent, Mehrfachnennung). Außerdem bestätigten 67 Prozent, dass sie die Ausbildung als gesellschaftliche Gemeinschaftsaufgabe sehen. 61 Prozent nutzen aber auch den Vorteil, dass Auszubildende bereits während der Ausbildungszeit als Arbeitskräfte in der Praxis eingesetzt werden. Für 49 Prozent gehört Ausbildung zur Praxistradition.

Allerdings verließen auch 25 Prozent der selbst ausgebildeten MFA trotz Übernahmeangebot nach der Ausbildung die Praxis. Von ihnen wechselten 42 Prozent in eine andere Praxis oder ein MVZ und blieben damit im ambulanten Versorgungsbereich. 19 Prozent sind in Krankenhäuser gewechselt und 20 Prozent haben sich beruflich umorientiert.

40 Prozent sind von Abwanderung betroffen
Noch größer ist der Anteil der ausgebildeten Mitarbeiter*innen, die die Praxen auf eigenen Wunsch verlassen haben: 40 Prozent der Praxen waren betroffen. Hier spielte die berufliche Umorientierung bei 22 Prozent eine Rolle. 19 Prozent wollten persönliche Veränderungen. 23 Prozent fanden neue Arbeitsstellen in einer anderen Praxis oder einem MVZ und 11 Prozent in einem Krankenhaus.

Um Personal zu binden, setzen 93 Prozent der befragten Praxen auf monetäre Anreize. An erster Stelle wurden Sonderzahlungen und Zulagen aufgeführt (72 Prozent, Mehrfachnennung). Es folgten freiwillige „an einen Tarifvertrag angelehnte“ Verträge (54 Prozent), Sachleistungen (49 Prozent), Sonderurlaub (37 Prozent), übertarifliche Bezahlung (31 Prozent), „überhöhte“ Eingruppierung laut Tarifvertrag (18 Prozent) sowie sonstige monetäre Anreize (16 Prozent).

96 Prozent gaben an, Anreize jenseits von Geld und Sachleistungen zu nutzen, vor allem durch ein gutes Betriebsklima (87 Prozent), regelmäßige Besprechungen und Teamevents (76 Prozent) und Mitarbeitergespräche (66 Prozent). Eine angemessene Belegschaftsgröße war für 55 Prozent wichtig, Aufstiegsmöglichkeiten nur für 19 Prozent.

Auswirkungen auf Versorgung der Patient*innen
Der Fachkräftemangel bleibt nicht ohne Auswirkung auf die Versorgungstätigkeit, so das Zi: Rund 30 Prozent aller befragten Praxen gaben an, in den Jahren 2019 bis 2020 in ihrer Delegationsfähigkeit eingeschränkt gewesen zu sein. 15 Prozent der Vertragsarztpraxen haben auf den Mangel an Personal mit einer Kürzung des Leistungsumfangs für die Patientenversorgung reagiert.

Politik ist gefordert
Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried sieht einen wesentlichen Grund in der ungleichen Bezahlung von ambulanten und stationären Leistungen. Seit Jahren steige der so genannte Orientierungswert und damit der Preis pro Leistung für Krankenhäuser stärker als der für Vertragsarztpraxen. Während die Erhöhung zwischen 2016 und 2020 für Krankenhäuser 15,02 Prozent betrug, waren es für Vertragsarztpraxen lediglich 6,96 Prozent.

Für das Jahr 2021 habe sich dies unvermindert fortgesetzt, so von Stillfried weiter: „Für Kliniken beträgt der Anstieg 2,6 Prozent, für Kassenarztpraxen lediglich 1,25 Prozent. Die Preise für stationäre Leistungen werden dann seit 2016 um 18,63 Prozent, die für vertragsärztliche Leistungen nur um 8,30 Prozent gestiegen sein. Somit ist es kein Wunder, dass es Krankenhäusern leichter fällt, höhere Tarifgehälter etwa für Medizinische Fachangestellte zu zahlen. Deshalb darf sich die Politik nicht nur um die Personalknappheit in den Kliniken kümmern, sondern muss jetzt endlich dazu beitragen, Abwanderung aus den Praxen zu stoppen. Wird nicht zugunsten der Vertragsarztpraxen nachgesteuert und die Vergütungsschere zwischen Klinik und Praxis geschlossen, drohen auch für Patientinnen und Patienten spürbare Engpässe in den Praxen, die jährlich mehr als 90 Prozent der gesetzlich Versicherten behandeln.“

Handlungsbedarf bei Tarifverbindlichkeit
„Die Ergebnisse der Zi-Studie bestätigen unsere Befürchtungen zum Fachkräftemangel bei Medizinischen Fachangestellten und die Abwanderung von MFA in Kliniken und in andere Berufe. Diese Kolleg*innen fehlen in der ambulanten Versorgung. Damit steigt die bereits hohe Stressbelastung bei den verbleibenden Kolleg*innen noch mehr“, erklärt Hannelore König, Präsidentin des Verbandes medizinischer Fachberufe e.V., zu den Ergebnissen der Studie.

Die Situation werde sich aufgrund der demografischen Entwicklung weiter zuspitzen.

„Dass die Ärzteschaft ihre Bemühungen zur Ausbildung und Mitarbeiterbindung verstärken will, begrüßen wir“, so Hannelore König weiter. „Wenn 26 Prozent der Praxen auf die Abwanderung mit einem Ausbau der Ausbildungstätigkeit antworten, dann ist das ein erstes Zeichen. Dem stehen allerdings 11 Prozent gegenüber, die ihre Ausbildungstätigkeit reduzieren wollen. Durchaus kritisch ist der Einsatz von Auszubildenden als Arbeitskraft zu sehen. Das hat sich vor allem in der Pandemie gezeigt. Auch in Zeiten von Fachkräfteengpässen muss Ausbildung Vorrang vor dem Einsatz als Arbeitskraft haben." Sie schlägt vor: "Der Staat könnte durch die verstärkte Förderung von überbetrieblichen Ausbildungsstätten die ausbildenden Betriebe - vor allem die Facharztpraxen - entlasten.“

Handlungsbedarf sieht Hannelore König zudem bei der Tarifverbindlichkeit auf Seiten der Arbeitgeber*innen und der Politik. „Ein an den Tarifvertrag angelehnter Arbeitsvertrag ist zu wenig. Nur die ‚echte‘ Tarifbindung im Arbeitsvertrag schafft für die MFA Sicherheit und Perspektive. Sonderzahlungen zum 1. Dezember und Arbeitgeberbeiträge zur betrieblichen Altersvorsorge sind auf diese Weise abgesichert und setzen Anreize zum Bleiben. Die korrekte Eingruppierung auf Grundlage der Kompetenzen bzw. Qualifikation verbunden mit der Übernahme von Verantwortung ist aus unserer Sicht ein wichtiges Zeichen der Wertschätzung im Betrieb. Dass dies flächendeckend noch nicht so ist, zeigen die Zahlen des Entgeltatlas der Agentur für Arbeit. Denn das durchschnittliche mittlere Entgelt bei den Medizinischen Fachangestellten lag zum 30.06.2020 bei 2.496 Euro brutto.

Die Politik hat gezeigt, dass sie durchaus Einfluss auf die Gehälter im Gesundheitswesen nehmen kann. So liegt das mittlere Entgelt bei den Altenpfleger*innen inzwischen bei 3.174 Euro brutto. Dieses Engagement ist auch im ambulanten Gesundheitswesen notwendig.“

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